Flexible Ausgestaltung der Arbeit – ein paar Überlegungen

Ich bin derzeit im Mutterschutz und meine Arbeitgeberin sucht eine Vertretung für meine Elternzeit. Aufgrund verschiedener Umstände ist sie damit eher spät dran, so dass ich höchstens 10 Monate von 12 (inkl Mutterschutz) vertreten werden werde. Das ist für alle Beteiligten sehr ärgerlich, weil ich mein Aufgabengebiet weitgehend allein bearbeite. Somit bleibt derzeit Arbeit liegen und meine Vertretung wird sich ohne meine Unterstützung einarbeiten müssen. Ich habe ein bisschen gegrübelt, wie sich das hätte verhindern lassen können und bin darüber zu Überlegungen zur Gestaltung von modernen Arbeitsplätzen ganz allgemein gekommen:

Viele Elternteile, Väter wie Mütter, sehen sich heute in der Situation, das sie gern weiter einem verantwortlichen Job nachgehen würden, auch wenn sie – kleine – Kinder haben, ihnen aber recht klar gesagt wird: in Teilzeit geht das nicht. Ich kenne Menschen, bei denen selbst eine Reduktion auf 80% der Arbeitszeit dazu geführt hätte, dass ihnen Führungsverantwortung wieder entzogen worden wäre. Mütter werden oft -widerrechtlich – vor die Wahl gestellt 50% in einer weniger interessanten Aufgabe oder 100% im alten Job. Andere Lösungen wie etwa 65 oder 75% stehen nicht zur Debatte. Auch eine Elternzeit von mehr als zwei Monaten gilt in vielen Fällen als Garant für Nachteile im Job im Nachgang. Nachteile, die Frauen mehrheitlich dann in Kauf nehmen und die Männer mehrheitlich dazu zu bewegen scheinen, dann eben nur kurz in Elternzeit zu gehen.

Das Bedürfnis, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren oder längere Auszeiten nehmen zu können ist aber keinesfalls auf Eltern beschränkt. Eine moderne Arbeitsumgebung sollte jeder/m Arbeitnehmer/in möglich machen, selbst Herr/in über seine/ihre Aufteilung von Arbeit und Freizeit zu sein. 

Die absehbare stärkere Automatisierung und zunehmende Digitalisierung legt außerdem nahe, dass wir zukünftig eher ein Überangebot an Arbeitskraft haben werden und dass die Arbeit noch weniger als bisher zwangsläufig ab einer festen Arbeitsstätte wird stattfinden müssen. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes würde also auch im Sinne der Arbeitgeber und des gesellschaftlichen Friedens sein.

Wie aber sollte das vonstatten gehen, wenn ja offenbar der/die einzelne so unverzichtbar ist  oder die Arbeitsabläufe so unflexibel, dass außer den Varianten „Mehr als Vollzeit, am besten immer am festen Arbeitsplatz“ und „50% an 5 Tagen a 4 Stunden und nur bei Zuarbeit, keinesfalls mit Verantwortung“ keine Ausgestaltung denkbar ist? 

Ich glaube, das Problem hängt viel damit zusammen, wie wir Arbeit und Aufgaben organisieren. Denn tatsächlich, dass ich jetzt nicht im Büro bin führt dazu, dass meine Arbeit nicht gemacht wird. Dass ich in einen Job mit Verantwortung werde zurückkehren können, auch in Teilzeit, habe ich dem Umstand zu verdanken, dass ich im öffentlichen Dienst tätig bin und dass meine Vorgesetzten mich außerordentlich zu schätzen wissen. Ich kenne auch im direkten Umfeld im öffentlichen Dienst Frauen, denen nach der Rückkehr aus der Elternzeit eine zugesagte Beförderung versagt wurde, selbst bei Rückkehr in 100%. Auch bei meinem Mann wird die Elternzeit dazu führen, dass seine Arbeit nicht adäquat fortgeführt werden wird. Für uns beide wird das bedeuten, dass wir einerseits in der Elternzeit nicht 100% raus sein werden, sondern mal schnell Mails checken, ein kurzes Telefonat und ähnliches werden vermutlich sein müssen, um unser „Hoheitswissen“ abzurufen. 

Wie könnte das besser laufen?

Ich denke, wir müssen Arbeitsplätze und Aufgabengebiete flexibler, komplementärer, weniger monolithisch sehen. Als ich meine Stelle angetreten bin, war sie mit 100% ausgeschrieben und wurde mit mir zu 75% besetzt. Obwohl ich angeboten hatte, sie auch 50-50 mit einer zweiten Person zu teilen. Es war meiner Arbeitgeberin lieber, dass ich in 30 Stunden die Arbeit von 40 Stunden mache als die Aufgaben sinnvoll auf zwei Arbeitsplätze zu verteilen, die sich ergänzen. Das führte natürlich zu erheblichem Stress für mich und gleichzeitig dazu, dass jetzt eben auch eine Lücke entsteht, die so nicht da wäre, wären wir zu zweit. Das Gedankenspiel funktioniert aber auch für 100% Stellen. Wenn ein Mitarbeiter mit einem speziellen Aufgabengebiet aufgrund von Elternzeit, Krankheit, Sabbatical ausfällt, ist seine Arbeit vakant, eine Vertretung muss mühsam eingearbeitet werden, der Übergang ist ruckelig, ein Wiedereinstieg nur unflexibel und in exakt den selben Konditionen oder gar nicht möglich. Weil wir Personen und Aufgabengebiete deckungsgleich denken. Person A macht Aufgabe X, Person B macht Aufgabe Y usw. Was wäre aber nun, hätten A und B gemeinsam X und Y verantwortet. Dann könnte einer von beiden die Vertretung des anderen problemlos einarbeiten und ggf auch kurzfristig vertreten. Das Wissen um beide Aufgaben wäre zumindest passiv verfügbar, es würde immernoch die zeitliche Kapazität, nicht jedoch das Know-How fehlen. 

Natürlich, es gäbe Abstimmungsbedarf. Das muss man einkalkulieren. Es müsste manchmal womöglich mehr gesprochen werden. Aber vielleicht gewinnt man so gleichzeitig auch verschiedene Perspektiven auf ein Problem, entdeckt evtl. Fehler früher. Und womöglich, wie krass wäre das denn, hätte man gleich zwei motivierte und engagierte Mitarbeitende. 

Kann man ja mal drüber nachdenken. Meine Arbeitgeberin wird das müssen. Denn ich kehre zunächst mit 50% zurück, in ein dann womöglich sogar gewachsenes Aufgabengebiet, mit (Personal-)Verantwortung in dem ich glücklicherweise gut und schlecht zu ersetzen bin. Und ich teile das dann auch echt gern, allein machen will ich es aber nicht. Liegt dann halt an den Chefinnen und Chefs, ob sie mir eher eine/n Assistent/in oder eine/n Kollegin/en an die Seite stellen, nicht?